Concept _Das Floß der Medusa
Der Platz der Hauptwache in Frankfurt ist durch eine Vielzahl von polygonalen und zum Teil erratisch verlaufenden Mauern, Mauerfragmenten, Treppen, Rampen, tiefer- oder höhergelegten Ebenen, kleinen Pavillons und Kiosken, vernachlässigten Pflanzkübeln und sonstigen Stadtmöblierungen doch reichlich verbaut. Seine derzeitige Gestalt fördert unansehnliche Schmuddelecken. Der Platz wirkt insgesamt wenig großstädtisch. Es findet sich keine Platzstruktur, die attraktiv zu nennen wäre, die von sich heraus eine urbane Aufenthaltsqualität enstehen ließe. Gleichwohl ist die Hauptwache ein intensiv frequentierter Ort. Seine Urbanität entsteht mithin nicht durch dessen stadträumliche Finesse, sondern schlichtweg durch seine Lage inmitten der Stadt und durch seine Funktion als zentraler Infrastrukturknoten.
Diesem Zuviel an Heterogenität noch weitere kleinmaßstäbliche, ev. modulare Stadtmöblierungen hinzuzufügen, erscheint uns wenig zielführend. Das wäre eine zwar aktivistische aber eher hilflose Geste der Indifferenz. Wir schlagen deshalb zwei großmaßstäbliche, temporäre Implantate vor:
1. Ein post-konstruktivistisches Metallgerüst, das in der Lage ist, auf eine lässige und beiläufige Art Weite, Höhe und Luftigkeit herzustellen. Ein filigranes Gerüst, das einen gedanklichen Raum der Möglichkeiten eröffnet. Ein erweiterter Kopf-Innenraum sozusagen, im Sinne von: Stell Dir vor: Es muss nicht alles immer so bleiben, wie es ist. Veränderung ist möglich.
2. Eine 34.00 x 24.50 Meter große, hölzerne Plattform
Sie ‚’schwebt’ 15 cm über dem Boden und wenn man die 30 cm hohe Fläche mit einem beherzten Schritt betritt, ist man plötzlich Zuschauer und Protagonist zugleich. Bretter, die die Welt bedeuten. Die Menschen spüren: Diese beplankte hölzerne Plattform definiert einen Ort ganz eigener Möglichkeiten. Wie auf einem Spielfeld, einer Bühne, einem Schiff oder Floß können hier selbst gesetzte Regeln gelten und eine Aktion, ein Spiel, ein Diskurs oder Streit eröffnet werden. Es können dort – unter dem Schirm des Raum eröffnenden konstruktivistischen Gerüstes (Vgl. Constant _NEW BABYLON) kommunikative Prozesse statfinden, die sowohl informellen wie formalen, kuratierten Charakter haben:
Politische Debatten, Poetry slams, Konzerte, Tanzveranstaltungen, Flohmärkte, Kindergeburtstage, Sportveranstaltungen, theatrale Performances, Flash mobs…
Dieser Raum gehört einer aufgeklärten Stadtgesellschaft. Er ist ihr Floß der Medusa. Denn auch auf dem gleichnamigen Gemälde von Théodore Géricault weisst die zentrale POC-Figur hin auf eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen der alten und der neuen Welt. Es sind – neben dem Klimawandel und der Ressourcenfrage – insbesondere auch die postkolonialistischen Diskurse, die jetzt anstehen und die geführt werden müssen und für die Frankfurt als Stadt mit einem eminent hohen Anteil an Immigrant*innen zum Modell eines unerwarteten Gelingens werden könnte. Die Floß-der-Medusa-Plattform ist zusammengesetzt aus recyceltem Holz: Ein erfrischend imperfektes aber lebendiges Patchwork also, wie es die Bürgerschaft Frankfurts auch ist.


